Pfarrer Joseph Schelbert (1834
bis 1887)
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Mit und für seine Allgäuer
Während seiner Tätigkeit als Pfarrvikar in Pöcking gründete
Joseph Schelbert bereits 1866 einen ‚Verein zur Hebung der Viehzucht’,
1868 als Kaplanei-Benefiziat in Fischen eine ‚landwirtschaftliche
Fortbildungsschule mit Fachbibliothek’. Diese Bibliothek umfasste
mindestens 115 Bücher. In den ‚Landwirtschaftlichen Blättern für
Schwaben und Neuburg’ vom 28. Juli 1870 befindet sich eine Übersicht
der ‚landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen im Winter 1869/70’, in
welcher für Fischen 23 Schüler und als Unterrichtender u. a. Kaplan
Schelbert genannt wird. |
Schelbert-Wappen
von J. Schelbert 1886 in Berlin in Auftrag gegeben
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1870 verfasste Pfarrer Schelbert dann seine Abhandlung über ‚Das
Allgäuer Vieh’. Er beschreibt darin „die Notwendigkeit der Viehzucht im
Oberallgäu“.
Pfarrer Joseph Schelbert mag seine Allgäuer, sein Landvolk. Das hört
man immer wieder. Sei es bei seinen Reichstagsreden, in seinen
Broschüren und nicht zuletzt in seinem 1873 erschienen Buch ‚Das
Landvolk des Allgäus in seinem Thun und Treiben’. Hier ein Auszug: „Im
Allgemeinen ist das Allgäuer Volk sehr gesund und schön. Es gibt in ihm
unter beiden Geschlechtern zahlreiche Prachtgestalten mit interessanten
Gesichtern, in welchen sich die Klarheit des Verstandes und
Entschiedenheit des Willens, sowie das frohe Gefühl der Wohlhabenheit
und Unabhängigkeit abspiegelt.“
Pfarrer
Schelbert und die damalige Zeit und als Reichstagsabgeordneter
Schon während seiner Kaplanstätigkeit in Altusried von Oktober 1867 bis
März 1868 trat er bei den Zollparlamentswahlen mit größter
Entschiedenheit gegen das terroristische Treiben der dortigen
‚Liberalen’ auf. Es war eine schwere Zeit für Pfarrer Schelbert. Gerade
die ‚Kemptner Zeitung’ versuchte mit allen Mitteln, Schelbert schlecht
zu machen, was ihr nicht gelang. 1869 wurde er Mitbegründer der
Katholischen Volkspartei im Allgäu, weshalb ihn Rottenkolber in seiner
‚Geschichte des Allgäus’ unter die „hervorgetretenen Politiker des
Allgäus im 19. Jahrhundert“ einreiht.
Durch seinen herausragenden Wahlsieg am 28. Oktober 1884 erhielt
Pfarrer Schelbert als Kandidat der Centrumspartei (die Ultramontanen
genannt) im Wahlkampf 8.994 Stimmen, während für seinen Gegenspieler
von den Liberalen, Dr. v. Schauß, lediglich 6.991 stimmten. Kaplan
Alois Gwerder aus Muotathal zitiert in seinen Liegenschaftsgeschichten
den ‚Bote der Urschweiz’ vom 18. Oktober 1884: „Dieser Tage predigte
hier in Schwyz ein im Königreich Bayern als Priester wirkender Herr
Pfarrer Schelbert; er stammt aus dem Muotathal. Nun wird derselbe im
Wahlkreis Immenstadt-Kempten von der Centrumspartei als Mitglied des
Deutschen Reichstags vorgeschlagen und fast sicher gewählt werden, da
er ein volkstümlicher und schneidiger Mann sei. Ja, die Schelbert haben
eben nicht nur das Zeug zu Pfarrherren an sich.“ Am 5. November liest
man dann: „Ein Muotathaler im Deutschen Reichstag, Herr Pfarrer
Schelbert von Maria Rain ist also mit über 2.000 Stimmen Mehrheit als
Reichstagsabgeordneter von Kempten-Immenstadt gewählt worden. Wir
gratulieren.“ Der ‚Bote’ hatte das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie
das Centrum“, fügt Kaplan Gwerder hinzu.
Nach seinem Einzug in den 6. Deutschen Reichstag berichtete Pfarrer
Schelbert regelmäßig den Lesern der ‚Allgäuer Zeitung’ von den
Geschehnissen in Berlin durch seine Reichstagsbriefe. Der erste
erschien Anfang 1885, der 51. und damit letzte am 21. Dezember 1886.
Mit peinlicher Genauigkeit schrieb er über alles, was im Reichstag
behandelt und beschlossen wurde. Die ‚Allgäuer Zeitung’ würdigte dies
auch dadurch, dass sie diese ‚Reichstagsbriefe’ stets auf der ersten
Seite abdruckte.
Der Wahlkampf zum 7. Deutschen Reichstag Ende 1886/Anfang 1887 wurde
mit geradezu deprimierenden Mitteln geführt, die heute kaum vorstellbar
sind. Die Zeitungen ergriffen Stellung für bestimmte Parteien und
beschimpften sich aufs Äußerste. Durch seine Krankheit konnte Pfarrer
Schelbert an den Wahlversammlungen persönlich nicht teilnehmen, was ihm
viele Stimmen kostete. Dadurch kam die Liberale Partei unter dem
Kandidaten Keller 1887 zu einem Wahlsieg mit 10.300 gegenüber 9.153
Stimmen für Pfarrer Schelbert.
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